Ein Schlaganfall hätte auch genügt…!
Der Kampf nach einem Schlaganfall zurück in ein selbstständiges Leben ist gewiss nicht einfach. Willenskraft, Familienrückhalt und Hilfe von Freunden sind Wegbegleiter einer Intensivtherapie.
in 61-jähriger Geschäftsmann aus Mühlheim im Kreis Offenbach musste es gleich dreimal am eigenen Leib erfahren. Im Oktober 2016 war zuerst die linke Seite gelähmt, eine Woche später die komplette rechte. Es folgte Koma, dann zwölf Monate Klinikaufenthalt und dort kam es dann noch einmal zur Gehirnblutung. Grausam!
Heute ist er mit einer starken Familie, guten Freunden und einem hochmotivierten Team auf dem Weg zurück ins neue Leben! Der Weg in die Intensiv-Therapie „Ein Wunder, dass er überhaupt überlebt hat“, so seine Ehefrau heute. Die rechte und die linke Körperhälfte sind auch heute noch fast komplett gelähmt! Er ist zu 95 Prozent pflegeabhängig.
Seit Dezember 2017 ist er wieder zu Hause in Mühlheim. Die Atmung, das Sprechen, Essen und Trinken sind erschwert. Das Haus wurde rollstuhlgerecht umgebaut – Pflegebett, Spezialrollstuhl und so weiter. Seine Frau und der 18-jährige Sohn übernehmen komplett die Versorgung, ohne Pflegekräfte! Der Sohn hat sein Studium dafür ausgesetzt. Eine unglaublich engagierte Familie, allen voran Herr Schwade. Er hat einen unbändigen Siegeswillen, hohe Motivation und viel Humor. Die Hausärztin unterstützt die Verordnung von ambulanten Therapie-Maßnahmen so weit wie möglich im gesetzlich vorgegebenen Rahmen. Zeitungsartikel von der OP und der Hinweis einer Therapeutin bringen den Schlaganfall- Experten Helmut Gruhn aus Hainburg ins Spiel. Schließlich der Beratungstermin im Haus von Schwades in Mühlheim. Herr Gruhn: „So eine schwere Betroffenheit, mit Lähmungen von rechter und linker Körperhälfte habe ich selten erlebt.“
Keinesfalls fand er eine verzweifelte Familie vor, sondern viel Motivation, Willen, Humor und einem „trotzdem Ja” zum Leben. Ideale Voraussetzungen, um eine Intensiv- Therapie zu organisieren. Spenden ermöglichen die Therapie Helmut Gruhn erkannte: So kommt man nicht weiter! Das bestehende Therapie-Angebot hat zwar engagierte Therapeuten, aber zu wenig Struktur! So folgte die Termin-Absprache mit dem gesamten Team: Physio-, Ergo-, Sprachtherapie, Ehefrau und Sohn. Erleichternd kam dazu, dass fast alle Therapeuten persönlich bekannt sind und von Herr Gruhn mit ausgebildet wurden. Unter fachlicher Leitung wurden nun die persönlichen und realistischen Ziele im Alltag definiert und auf die einzelnen Berufsgruppen aufgeteilt. „Jeder einzelne Therapeut kann innerhalb seiner Profession einen Baustein zum Ganzen beitragen“, so Gruhn.
Leider zeigte sich aber dadurch keine große Veränderung bei den bestehenden Therapie-Zeiteinheiten. Eine Erhöhung der Therapie-Intensität war dringend nötig. Helmut Gruhn schlug einen zusätzlichen Therapeuten vor. Die Idee dabei: die Durchführung einer häuslichen Kompakt-Therapie. Viermal pro Woche á vier Stunden! Die finanziellen Mehrkosten werden von der Familie und durch Spenden von Freunden übernommen! Sehr schnell war ein fünfstelliger Betrag gesammelt! Beeindruckend! Mittlerweile sind vier solche Kompakt-Therapie-Wochen durchgeführt worden. Es geht vorwärts – langsam, aber die Erfolge sind sichtbar! Neue Perspektiven, Hoffnungen und ein Mehr an Lebensqualität sind entstanden. Ein mutiger, erfolgreicher und beispielhafter Weg. Viele Bausteine wurden zu einem großen Ganzen!
Back to life – Zurück ins neue Leben!
Seit mehr als 25 Jahren arbeitet der Physiotherapeut und Inhaber, Helmut Gruhn, mit Schlaganfall-Patienten im ambulanten Schlaganfall-Zentrum Perzeptionshaus in Hainburg/Hainstadt. Die von ihm entwickelte Therapie „Back to life“ basiert auf dem Bobath-Konzept. Dieses Konzept ist die weltweit am meisten angewandte und eine der erfolgreichsten Therapien bei Schlaganfall-Patienten. Namensgeber waren der Neurologe Dr. Karel Bobath und seine Frau Berta, die ab 1940 dieses Konzept empirisch entwickelten. Grundlage dabei ist die Regeneration und Neuorientierung des Gehirns. Heute sind diese Erkenntnisse von der Neurowissenschaft bestätigt und von den Krankenkassen anerkannt. Der Physiotherapeut Helmut Gruhn wurde noch vom Ehepaar Bobath selbst mit ausgebildet. „Die Teamarbeit spielt bei der Schlaganfall-Rehabilitation eine große Rolle“, so Gruhn. „Patient, Angehörige, Arzt und Therapeuten müssen gemeinsame Sache machen, dann kann das Potenzial des Gehirns voll ausgenutzt werden.“
Nach wie vor bestehen deutschlandweit gravierende Versorgungsengpässe bei der ambulanten Versorgung von Schlaganfall-Patienten, Back to life – Zurück ins neue Leben! weiß der Physiotherapeut Helmut Gruhn. Durch seine Arbeit als Supervisor auf der Stroke Unit und neurologischen Station des städtischen Klinikums Hanau kennt er die Schwierigkeiten, die Patienten und ihre Angehörigen haben, um eine gute ambulante Versorgung zu erhalten. Denn die Krankenkassen zahlen nur eine Grundversorgung mit Heilmitteln. Das bedeutet maximal zweimal die Woche eine halbe Stunde Physiotherapie. Viel zu wenig, um den Weg zurück in ein selbstständiges Leben zu ermöglichen. Deswegen hat der Schlaganfall-Experte vor fünfundzwanzig Jahren das Therapiekonzept „Back to life“ entwickelt – ein Intensivkonzept zur integrativen Therapie von Schlaganfall Patienten nach der klinischen Rehabilitation. „Die Therapiezeiten sind länger und erfolgen in kürzeren Abständen als in der ‚normalen’ Physiotherapie“, so Gruhn. Ziel von „Back to life” sei es, die Voraussetzung für einen selbstständigen Alltag der Patienten zu schaffen und ihnen damit ein zufriedenes und eigenverantwortliches Leben zu ermöglichen.
© Preseartikel Fachzeitschrift Not, 4/2018